Eine im Netz gefundene Sammlung – nicht vollständig
Friedrich Naumann
„Es ist bekannt, welche große Rolle im ganzen Mittelalter das auf Lukas 6.35 gegründete Zinsverbot gehabt hat. Die mittelalterliche Auslegung der betreffenden Bibelstelle war irrig, wie sie denn auch Luther in seinen ‚Sermonen vom Wucher’ aufgibt; auch die religiös-gesetzliche Art des Zinsverbots ist für alle Zeit überwunden. Aber wir zweifeln nicht daran, dass eine Zeit kommen wird, wo sich eine christliche Bewegung wieder gegen den Zins erheben wird im Sinne evangelischer Freiheit nach dem Wort Luthers: ‚Es gebührt Christenmenschen nichts anderes, denn Geben und Leihen umsonst.’ Es ist nicht anzunehmen, dass Christi Worte über das Leihen in der evangelischen Christenheit dauernd ein toter Wortbestand bleiben sollten. Erst wenn der Geist der christlichen Liebe sich an die Frage der Kapitalausnutzung heranwagt, wird das Christentum in der modernen Welt seine Hauptprobe bestehen.“
Das soziale Programm der Evangelischen Kirche, Erlangen und Leipzig 1891, S. 165 – 166.
Prof. Dr. Johannes Ude
„Wer also für die ausbeutungsfreie Wirtschaft einsteht, und dafür soll doch jeder Christ einstehen, der kommt nach unserer Überzeugung um das Freigeld nicht herum. … Die Freiwirtschaftslehre ist also gesellschaftlich, wirtschaftlich und kulturell von geradezu grundlegender Bedeutung.“
Das Geld – Sein Einfluss auf Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Gams/Schweiz 1935, S. 172 und 242.
Prof. Dr. Leonhard Ragaz
„Das Verbot des Zinses ist nicht bloß eine einzelne wirtschaftlich-soziale Maßregel, sondern ein gewaltiges Prinzip: die Verhinderung der Geldherrschaft. In diesem Sinne geht das Zinsverbot durch die christliche Kultur. … Es gilt in der ganzen altchristlichen Zeit und im Mittelalter. Zinsnehmen bleibt Wucher. Erst die kirchliche Reformation und die weltliche Renaissance heben das Zinsverbot auf und öffnen damit jener Entwicklung zum Kapitalismus die Bahn, welche die Geldherrschaft zuletzt auf den Gipfel bringt, Gott und den Menschen durch den Mammon verdrängend. Es ist ein Erwachen der Revolution des Mose, wenn die Freigeldbewegung wieder das Zinsproblem im Sinne der Beseitigung des Zinses auf den Leuchter gestellt hat. In diesem Sinne darf man das Buch von Silvio Gesell „Die Natürliche Wirtschaftsordnung“ neben „Das Kapital“, „Fortschritt und Armut“ und „Das Ur-Eigentum“ stellen.“
Die Bibel – eine Deutung Band 2, Zürich 1947, S. 133 – 134.
Prof. Dr. Karl Barth
„Wo nicht der Mensch, sondern das zinstragende Kapital der Gegenstand ist, dessen Erhaltung und Mehrung der Sinn und das Ziel der politischen Ordnung ist, da ist der Automatismus schon im Gang, der eines Tages die Menschen zum Töten und Getötetwerden auf die Jagd schicken wird.“
Die kirchliche Dogmatik Band III/4, Zürich 1951, S. 525.
Prof. Dr. Ulrich Duchrow
„Haben wir es beim gegenwärtigen Weltwirtschaftssystem mit einer besonderen Bekenntnisfrage wie im Fall des Nationalsozialismus und der Apartheid zu tun? Müssen wir uns in diesem Sinn zu einer eindeutig bekennenden Kirche entwickeln? … Dies ist eine Lebensfrage der Kirche, deren Langzeitwirkung ähnlich wie die ihres Versagens vor der Arbeiterfrage im 19. Jahrhundert sein wird. … Hier müssten sich Kirchen und Theologie ins Detail der multinationalen Wirtschaft hineinbegeben. Es handelt sich um die Frage des Glaubensgehorsams, wenn es um die Frage Mammon geht. … Heute hat die Geldwirtschaft eine fast totale Macht. … Die Völker der Erde müssen sich gemeinsam auf die Suche nach Alternativen für das Leben der Menschen und der Erde machen. Freilich, im Blick auf die Weltwirtschaft drängt die Zeit. Die Menschen sterben zu Millionen und das Kirchesein der Kirche verdunkelt sich immer mehr, solange sie den ‚Massenmord unserer Tage’ stillschweigend oder nur mit Lippenbekenntnissen hinnimmt.“
Weltwirtschaft heute – Ein Feld für Bekennende Kirche? München 1986, S. 17, 86, 143, 223 und 226.
Prof. Dr. Peter Knauer
„Der Zinssatz stellt den Maßstab dafür dar, ob eine Investition überhaupt als lohnend anzusehen ist. … Es empfiehlt sich deshalb, das Phänomen der Zins-trächtigkeit des Geldes näher zu untersuchen. … Geld dient als ein universaler Tauschmittler. Es hat im Handel eine Art Joker-funktion. Beim Kartenspiel versteht man unter einem „Joker“ eine Karte, die jede andere Karte sticht bzw. ersetzt. Ähnlich ist im Handel Geld eine Ware, die gegenüber allen anderen Waren grundsätzlich im Vorteil ist. … In Wirklichkeit sind diese Zinsen jedoch der Kaufpreis für den Jokernutzen des Geldes. Da man den Jokernutzen nicht beseitigen kann, ohne die Institution des Geldes überhaupt abzuschaffen, sind Zinsverbote sinnlos. Man erreicht da-mit höchstens, dass Geld … der Zirkulation ganz entzogen würde. … Es handelt sich um einen Systemfehler, der immer wieder Krisen verursacht und zum Absturz des ganzen Systems führen kann. Um mit diesem Systemfehler überhaupt leben zu können, ist unsere Wirtschaft zu ständigem exponentiellen Wachstum gezwungen. Aber kein System kann bei ständig exponentiellem Wachstum irgendeiner seiner Größen auf Dauer existieren. Durch den Zinseszinseffekt werden gerade die Schulden der Entwicklungsländer zu einer Lawine, die sich kaum aufhalten lässt. Schuldennachlass und Umschuldung bringen noch keine grundsätzliche Abhilfe. Es wäre prinzipiell denkbar, das gesamte monetäre System von der Wurzel her zu ändern. Man könnte ein Geld schaffen, dessen Jokernutzen durch eine mit dem Geldbesitz pro Zeiteinheit verbundene Abgabe an die Staatskasse ausgeglichen würde. … Gegenwärtig kann man den Jokervorteil, der durch gesamtgesellschaftliche Leistung zustande kommt, auf eigene Rechnung verkaufen, ohne dafür etwas anderes leisten zu müssen als damit aufzuhören, das Tauschmittel Geld dem Verkehr zu entziehen. Dem würde die Einführung von Kosten für Kassehaltung abhelfen.“
Wer bezahlt den Jokervorteil? – Über Dieter Suhrs Vorschläge zur besseren Nutzung des Geldes, in: Die Neue Gesellschaft – Frankfurter Hefte Nr. 1/1989, S. 41 – 49. – Vgl. auch http://www.peter-knauer.de/geldknick.pdf und http://www.peter-knauer.de/finanzkrise.pdf
Wilhelm Haller
„Wie der Krankheitsherd der internationalen Schuldenkrise jedem Einsichtigen deutlich macht, muss auch die Frage nach der Berechtigung des Anspruchs auf Geldvermehrung durch Zins und Zinseszins gestellt werden. … Das Prinzip von Zins und Zinseszins, das die Grundlage unseres ganzen Geld-, Kapital- und Finanzsystems liefert, führt immer dann zu exponenziellem Wachstum von Geldvermögen einerseits und Schulden andererseits, wenn einerseits die Besitzer von Geldvermögen mehr Zinsen einnehmen als sie verbrauchen, so dass auch der Zins wieder zinsbringend angelegt werden kann und muss, und andererseits die Schuldner mehr Zinsen zahlen müssen als sie trotz Einschränkung des Lebensstandards aufzubringen imstande sind, so dass die nicht bezahlten Zinsen den Schulden zugeschlagen und damit selbst zinspflichtig werden. Angesichts dieser zwingenden Gesetzmäßigkeit muss man sich wundern, wie die Zinsfrage mit ihren tödlichen Konsequenzen solange in unserer Gesellschaft tabuisiert werden konnte.“
in: Die heilsame Alternative – Jesuanische Ethik in Wirtschaft und Politik, Wuppertal 1989, S. 84 ff.
Weltkonvokation des ÖRK zum Konziliaren Prozess in Seoul/Korea 1990
„Affirmation VIII: Wir bekräftigen, dass die Erde Gott gehört. Das Land und die Gewässer bedeuten Leben für die Menschen. Doch Millionen sind ihres Landes beraubt und leiden unter der Verschmutzung des Wassers; ihre Kultur, ihre Spiritualität und ihr Leben werden zerstört. … Sie warten auf die Erfüllung der Verheißung, dass die Armen das Land bekommen werden. Wir bekräftigen deshalb, dass das Land Gott gehört. … Wir werden jeder Politik widerstehen, die Land als bloße Ware behandelt, die Spekulation auf Kosten der Armen erlaubt, die Giftmüll auf das Land und ins Wasser entlädt, die Ausbeutung, ungleiche Verteilung und Verseuchung des Landes und seiner Erzeugnisse fördert und die jenen, die unmittelbar von der Nutzung des Landes leben, die Verfügungsgewalt darüber vorenthält. Wir verpflichten uns zur Solidarität mit Urvölkern, die um ihre Kultur, ihre Spiritualität und ihre Rechte auf Grund und Boden sowie auf Gewässer kämpfen, und mit Landarbeitern und mit armen Bauern, die sich für eine Bodenreform einsetzen.“
Evangelischer Pressedienst Nr. 16/1990, S. 16 – 17.
Prof. Dr. Pinchas Lapide
„Wie war das Verhältnis Jesu von Nazareth zum Geld? Es herrscht die Auffassung vor, dass er dem Mammon total abhold war und alle Finanzgeschäfte ganz unzweideutig und rigoros verdammt habe. Weit gefehlt!! … Gegen einen gerechten Umgang mit Geld und Mitwirkung im Wirtschaftsleben hatten Jesus und die Pharisäer (der ja einer der ihren war) nichts einzuwenden – unter der Bedingung allerdings, dass die Fürsorge für die Randsiedler der Gesellschaft dabei nie zu kurz kommen dürfe. … Wogegen alle Rabbinen vehement zu Felde zogen, war finanzielle Korruption, Habgier, Geiz und Neid. Eine in weiten christlichen Kreisen missverstandene Aussage Jesu ist seine angebliche Empfehlung, sorglos zu sein wie die Vögel des Himmels und in den Tag hinein zu leben wie die Lilien des Feldes. (Mt 6) … Aus all seinen Gleichnissen spricht eine große Liebe für die Schöpfung und genaue Kenntnis der Natur. Er wusste so gut wie wir alle, dass die Vögel sehr eifrig und emsig für den morgigen Tag sorgen, indem sie beispielsweise ihre Nester mühselig Halm um Halm vorbereiten und bauen. Was meinte Jesus also mit diesem Bilde? ‚Nestbauen’ schon, aber keine Zweit- und Dritt-Nester! Von einem In-den-Tag-Hineinleben kann keine Rede sein; aber auch nicht vom gierigen ‚Hamstern’. Ähnlich verhält es sich mit Jesu ‚Blumengleichnis’. Wie fleißig ist doch unsere Lilie, wenn man es genauer betrachtet, wie sie ihr Wasser und den benötigten Stickstoff aus dem Erdreich heraufsaugt und mit Hilfe eines genialen Prozesses der Fotosynthese das Sonnenlicht verwertet. Also äußerst kreativ ist sie sogar und unermüdlich noch dazu. ‚Hamstern’ aber tut auch sie nicht – und harrt, offensichtlich voll Gottvertrauen, dem nächsten Tag entgegen.“
Jesus, das Geld und der Weltfrieden, Gütersloh 1991, S. 17 – 18.
Prof. Dr. Jürgen Moltmann
„Die Welt als Schöpfung Gottes zu verstehen, bedeutet gerade nicht, sie als Welt des Menschen anzusehen und in Besitz zu nehmen. Ist die Welt Gottes Schöpfung, dann bleibt sie sein Eigentum und kann von Menschen nicht in Besitz genommen werden, sondern nur als Leihgabe empfangen und treuhänderisch verwaltet werden. Sie ist nach den Maßstäben der göttlichen Gerechtigkeit zu behandeln, nicht nach den Wertvorstellungen menschlicher Machtentfaltung.“
Gott in der Schöpfung – Ökologische Schöpfungslehre, Gütersloh 4. Aufl. 1993, S. 45.
Dr. Christoph Körner
„Von Seiten der Theologie ist zu fragen, ob die Religion der Wirtschaft nicht eine Anti-Religion zur biblischen ist und ihre Lebensfeindlichkeit verdeutlicht werden muss. … Indem der (pseudo)sakramentale Charakter der modernen Wirtschaft erkannt und benannt wird, besteht auch die Möglichkeit, die Wirtschaft wieder zu entsakramentalisieren. Dies könnte geschehen, indem durch eine neue Wirtschaftsordnung ein ‚neutrales Geld’ geschaffen wird, das seine magische Kraft verliert, indem es von der Funktion des Schatzmittels befreit und allein auf seinen Gebrauch als Tauschmittel und Wertmesser beschränkt wird. Freilich müsste die Geldreform mit einer Boden- und Steuerreform gekoppelt werden, die uns zu einem anderen Umgang mit den Gütern der Natur bewegt. Die biblische Weisheit, dass die Erde Gott gehört und ebenso die Bodenschätze und Geschöpfe, die auf der Erde wohnen (Ps. 24.1), sollte wieder beherzigt werden. Begann die Sakramentalisierung der Wirtschaft gerade im 16. Jahrhundert mit der Säkularisierung des christlichen Geschichtsdenkens und der Entsakramentalisierung (Entheiligung) der Natur durch die jüdisch-christliche Welttranszendenz, so kann heute die biblische Sicht von der Heiligkeit der Schöpfung zur notwendigen Entsakramentalisierung der Wirtschaft führen. Indem die Wirtschaft entsakramentalisiert und das Geld seiner Fetischrolle beraubt wird, wird das Leben selbst wieder als die heilige Gabe erfahren und der Mensch kann sich in dem Leben als Ebenbild Gottes wieder finden.“
Zur metaphysischen Rolle des Geldes in der modernen Wirtschaft, in: Zeitschrift für Sozialökonomie 102./103. Folge (1994), S. 10 – 11.