9. Mai 2024

Bilder einer Woche

ein Passionsspiel von 1996

Es ist eine Wohnung eingeräumt, an jeder Seite ein Eingang, ein Tisch, vier Stühle, an der Seite steht eine Ablage, an der Wand sind Regale, gut sichtbar ein großer Kalender mit jüdischen Datumsangaben, welcher zu Beginn jeder neuen Szene umgeklappt wird.

1. Bild Einzug in Jerusalem Kalenderdatum: 10. Nisan

(Tochter ist bei der Hausarbeit, Mutter kommt hinzu)

Mutter: Weißt du, wo Vater ist?

Rebekka: Er hat gesagt, er gehe den Messias empfangen. Der käme heute nach Jerusalem.

Mutter: Der Messias! Jetzt hat es deinen Vater wohl auch erwischt. Messias! So ein Ammenmärchen. Seit Jahrhunderten warten wir auf den Messias und ausgerechnet heute soll er kommen.

Rebekka: Ausgerechnet heute, stünde so im Buche Daniel. Sagt Vater!

Mutter: Sagt er.

Rebekka: Ja, und weiter hat er noch gesagt, daß der Messias schon ein paar Jahre unter uns gelebt hat, aber heute wird er offenbart werden.

Mutter: Und wer er ist, weiß dein Vater wohl auch?

Rebekka: Erinnerst du dich an die Gruppe junger Männer, welche die beiden letzten Jahre während des Passafestes das Passamahl bei uns asen?

Mutter: Dieser Jeschua von Nazareth und seine Freunde? Der soll der Messias sein? Mein Kind, dieser Mann ist höchstens ein intelegenter Landstreicher, der ein paar nette Zauberkunststückchen kann.

Rebekka: Und wie war das mit Lazarus? Ihn hat er wieder lebendig gemacht.

Mutter: So etwas gibt es immer wieder. Scheintod. Aber dieser Jeschua taugt weder zum Heerführer oder gar König. Der kann doch keiner Fliege was zuleide tun. Wie will er uns da von den Römern befreien. Vergiß das mal ganz schnell wieder. – Wo wollte Vater denn den “Messias” begrüßen.

Rebekka: Hat Vater nicht gesagt. Aber bestimmt in Jerusalem.

Mutter: Jerusalem, und dort bestimmt in der Spelunke vom “Roten Tempelwirt”. Wenn er dort seine neuesten Erkenntnisse verbreitet, wissen es in ein paar Minuten der Hohe Rat und die Römer. Die haben überall ihre Spitzel. Und in einer Stunde drehen die unser Haus auf den Kopf. Fragt sich nur wer schneller ist, Tempelwache oder Römer?

Rebekka: Warum sollten die das tun?

Mutter: Wegen dem “Messias”. Regierende haben immer Angst vor Leuten, die eventuell etwas verändern könnten. – Ich gehe Vater suchen, bevor er Dummheiten macht. (ab)

Rebekka: Warum macht Mutter nur so einen Wind.

(Vater kommt mit Nachbarin herein)

Vater: Rebekka, Mutter hat wohl auf dem Markt noch was vergessen, Sie lief ja wie ein geölter Blitz Richtung Jerusalem.

Rebekka: Nein, sie ist dich suchen, Sie macht sich Sorgen um dich. Hast du Jeschua getroffen?

Nachbarin: Und ob wir ihn getroffen haben. Halb Jerusalem war auf den Beinen. Solch einen Empfang hat die Stadt seit Davids Zeiten nicht mehr erlebt. Ich bin ganz außer Atem. Alles hat gesungen, Hossianna gerufen, und wieder gesungen. Die Leute haben ihre Kleider ausgezogen und auf den Weg gelegt. Dann haben sie Zweige abgerissen und dazugelegt. Der ganze Weg war bedeckt. Es war einfach umwerfend. Und gerufen haben sie immer wieder: Gepriesen sei Gott. Heil dem, der in seinem Auftrag kommt. Heil unserem König. Ich habe mir gar nicht alles merken können. Nur das er auf einem Esel geritten kam, also das hat mir nicht gefallen. Ein Mann wie er gehört auf ein Pferd, ein weißes Pferd.

Vater: Der Esel diente als Zeichen, das Jeschua als Friedenskönig kommt, wie schon bei dem Prophet …

Nachbarin: Trotzdem sieht ein weißer Schimmel majestätischer aus.

Rebekka: Schade das ich nicht dabeigewesen bin.

Nachbarin: Einmal war es sogar besonders spannend. Kurz vor dem Stadttor kamen ein paar Pharisäer und stellten sich Jeschua in den Weg. Er solle den Leuten untersagen, ihn als König und Abgesandten Gottes zu bezeichnen. Weiß du, was er darauf gesagt? Er könne es den Leuten nicht verbieten, wenn die Menschen schweigen würden, würden die Steine es hinausschreien. Eine clevere Antwort. Ich liebe Männer, die die richtigen Antworten geben können.

Rebekka: Ach ja, ihr Mann hat sie vorhin gesucht.

Nachbarin: Was, o, da muß ich mich aber beeilen. (ab)

Vater: Soviel Hoffnung, soviel Freude wie heute habe ich noch nie erlebt. Endlich ist der Tag gekommen, wo sich die Sehnsüchte der Menschen erfüllen werden. Ich fühle mich so frei, so leicht. Wie ein Vogel in der Luft.

Rebekka: Vater, so kenne ich dich gar nicht.

Vater: Hoffnung kann die Menschen verändern. Fremde Menschen haben sich in den Armen gelegen und sich gefreut. Ich will noch einmal in den Tempel gehen und Gott danken.

(Beide ab, Mutter kommt mit Nachbarin )

Nachbarin: Liebste Sarah, da hättest du dabeisein sollen. Ein Empfang war das, einmalig.

Mutter: Aber Hanna, ich war dabei. Alles war auf einmal so anders. Die Menschen waren so freundlich zueinander, so höflich.

Nachbarin: Die anderen Jahre habe ich ihn immer für irgendeinen dahergelaufenen Gammler gehalten. Aber das dieser Mann einmal unser neuer König wird, das hat ja keiner Vorhersagen können. Wo er doch ein Galliläer ist.

Mutter: Seine Eltern stammen aus Nazareth, das ist richtig. Er aber ist in Bethlehem geboren.

Nachbarin: Was? Dann ist er ja ein Landsmann von mir. Eigentlich war er mir schon immer sympathisch. Aber woher weißt du das?

Mutter: In all dem Trubel saß am Straßenrand ein alter Mann. Der weinte vor lauter Freude und rief immer wieder, das ich das noch erleben darf, das ich das noch erleben darf. Ich habe ihn gefragt, ob ich ihm helfen könne. Darauf hat er mir eine Geschichte erzählt.

Nachbarin: Eine Geschichte! Sarah, jetzt machst du mich neugierig. Das will ich jetzt wissen.

Mutter: Na gut. Aber nur kurz: Der Alte war früher Hirte in Bethlehem. Während der Einschreibung zum Treueid auf Kaiser Augustus, zu Ehren dessen 25. Regierungsjahres, soll der Jeschua in einem Stall in Bethlehem geboren worden sein. Die Hirten seien in dieser Nacht, von einem Engel in den Stall gerufen worden. Dieser Engel habe gesagt: Freuet euch, euch ist heute der Retter geboren. In dem Stall haben sie das Kind und alles andere genauso vorgefunden wie beschrieben. Und in dieser Nacht sei ein neuer Stern aufgegangen, welcher ganz hell geleuchtet habe, sogar bei Tage. Als der Jeschua auf dem Esel heran geritten kam, hat er in ihm plötzlich das Kind erkannt.

Nachbarin: Das ist ja rührend. Das ist doch mindestens 30 Jahre her und er hat ihn wiedererkannt.

Mutter: 32 Jahre, um genau zu sein.

Nachbarin: Was du nicht sagst. Das muß ich gleich meinem Mann erzählen. (ab)

(beide ab)

2. Bild Tempelreinigung Kalenderdatum: 11. Nisan

(Rebekka ist im Raum, die Nachbarin kommt)

Nachbarin: Hallo Rebekka, ich muß dringend mit deiner Mutter sprechen. Ist sie da?

Rebekka: Nein, tut mir leid. Mutter ist auf den Markt gegangen.

Nachbarin: So was dummes aber auch. Es ist wirklich wichtig. Was mach ich jetzt nur?

Mirijam: (kommt) Hallo alle miteinander. Was meint ihr, was ich eben erfahren habe.

Rebekka: Du wirst es uns wohl gleich verraten, Schwesterchen.

Mirijam: Der alte Jakob hat es aus Jerusalem mitgebracht. Jeschua hat heute den Tempel aufgemischt.

Nachbarin: Was hat er? Den Tempel aufgemischt? Dauernd diese neuen Ausdrücke!

Mirijam: Na besser gesagt, er hat im Tempel aufgeräumt. Die reichen Pfeffersäcke rausgeworfen.

Rebekka: Mal langsam und immer der Reihe nach.

Mirijam: Also, ihr wißt doch, das im Vorhof immer die Viehhändler und Geldwechsler ihre Geschäfte machen, Opfertiere verkaufen usw.

Nachbarin: Sicher, mein Mann ist heute Morgen auch in den Tempel um seine Tauben zu verkaufen. Vor den Festtagen gehen die Geschäfte besonders gut.

Mirijam: Als Jeschua heute Morgen in den Tempel kam, hat er einen Wutanfall bekommen. Er hat dem ersten besten Viehhändler seine Peitsche abgenommen und ist dann wie ein Wirbelwind durch die Stände gesaust. Tische umgeworfen, Tiere freigelassen, das Geld der Wucherer über den Boden verstreut. Dabei hat er immer wieder gerufen: Steht nicht geschrieben: Mein Haus soll eine Stätte der Besinnung und Einkehr sein, ein Haus des Gebetes! Und was habt ihr daraus gemacht. Eine Räuberhöhle! Das ging solange, bis alle Banker und Händler rausgeworfen waren.

Nachbarin: Alle rausgeworfen? Auch die Händler? Den reichen Geldwechsler gönne ich so eine Abreibung. Aber wir sind doch schließlich nur arme Leute, die ein paar armselige Tauben verkaufen müssen. Hoffentlich hat er meinem Mann seine Tauben verschont. (ab)

Mirijam: Die und arm. Jammern kann sie gut. Ihr Mann sieht aus wie Schwanger und ihr Lieblingsthema ist doch sonst auch nur, mit welcher Diät sie den Speck von ihren Hüften kriegt. Tja, arm ist sie nicht, aber arm dran.

Rebekka: Was hat denn die Tempelwache unternommen?

Mirijam: Nichts. Zumindest hat der alte Jakob nichts erwähnt. Danach sind dann viele Kranke und Krüppel in den Tempel gekommen und Jeschua hat alle geheilt. Als sie dann Jeschua hochleben ließen, haben sich die Pharisäer wiedermal mokiert. Aber das kennt man ja.

Rebekka: Ich möchte jetzt gern mal wissen, was jetzt in denen so vorgeht. Ich schätze, die kochen vor Wut. Jedenfalls hat er sich damit nicht nur Freunde geschaffen.

(beide ab)

3. Bild Tag der Tempelpredigten Kalenderdatum: 12. Nisan

(Vater und Mutter sind im Raum, die Nachbarin kommt später hinzu)

Mutter: Simon, weißt du schon wieviele Personen während Passa bei uns wohnen werden?

Vater: Genau noch nicht, bringe lieber etwas mehr vom Markt mit. Meist kommt immer noch jemand, der kein Quartier mehr in der Stadt gekriegt hat.

Mutter: Wird Jeschua mit seiner Truppe wieder bei uns einkehren?

Vater: Das weißt du doch. Warum fragst du?

Mutter: Ich denke dabei an Rebekka. Ihre Augen leuchten immer so, wenn sie von Thomas, seinem Freund, spricht.

Vater: Ach, das ist nur eine Schwärmerei, das geht vorbei.

Mutter: Sie ist kein kleines Kind mehr.

Nachbarin: (kommt ganz aufgeregt) Ich muß mich gleich erstmal setzten. Im stehen läßt so schlecht reden. Du wirst es nicht glauben wollen, aber ich sage dir …

Vater: Ah, Frau Nachbarin, sind die Turteltauben deines Mannes wieder eingeflogen oder turteln die noch ein wenig vor Freude, noch nicht geopfert worden zu sein.

Nachbarin: Die Tauben sind wieder da. Was sich dieser Wanderrabbi da aber auch geleistet hat. Mein Mann sagt, das sei eine Schande. Die angesehensden Bürger der Stadt zu beleidigen. Bei denen hat er es verschissen. Von wegen Messias. Drei Tage ist er nun schon in der Stadt und die Römer sind immer noch da. Beschimpft lieber unsere Unternehmer als Räuber. Das ist eine Frechheit, sagt mein Mann.

Vater: Das mit den Räubern war aber anders gemeint.

Mutter: War Jeschua heute wieder im Tempel?

Vater: Aber sicher. Und auch heute hat er wieder gelehrt.

Nachbarin: Wer hat diesem Jeschua eigentlich das Recht gegeben, so aufzutreten als ob der Tempel sein Eigentum wäre. Das sollte man ihn einmal fragen.

Vater: Hat man. Statt einer Antwort stellt er den Pharisäern eine Gegenfrage. “Woher hatte Johannes den Auftrag zu taufen? Von Gott oder von den Menschen?” Was sollten sie darauf sagen. Hätten sie gesagt “von Gott”, tja, warum haben sie ihm dann nicht geglaubt? “Von den Menschen?” – dann wären sie von den Menschen gesteinigt worden. Denn Johannes war ein Prophet. — So blieben sie sich gegenseitig die Antwort schuldig.

Mutter: Und was war dann weiter?

Vater: Die Pharisäer sind erstmal kurz verschwunden. Als sie wiederkamen suchten sie wohl nach einem Grund, ihn bei den Römern anzuschwärzen.

Mutter: Bei den Römern?

Vater: Ja, die meisten Menschen kann mit dem Thema Geld provozieren. Wohl deshalb fragten sie ihn, ob ein rechtgläubiger Jude nach dem Gesetz Gottes den Römern Steuern zahlen darf.

Nachbarin: Im Steuern erfinden sind die Römer gut. Ständig neue. Irgendeinen Grund um uns das Geld aus den Taschen zu stehlen finden die immer. Der kleine Mann hat’s ja! Aber unsere Oberen stehen im abkassieren auch keinem nach.

Mutter: Und? Was hat Jeschua gesagt?

Vater: Hat einmal jemand eine Münze? (bekommt eine) Wessen Bild ist darauf zu sehen?

Nachbarin: Das weiß doch jedes Kind, des Kaisers Bild.

Vater: Die selbe Antwort gaben ihm die Schriftgelehrten auch. Und er erwiderte: Dann gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, aber gebt Gott was Gott gehört.

Mutter: Eine Antwort, mit welcher er nicht unrecht hat.

Vater: Ja, er hat Recht. Doch bei einigen Dingen, von denen er heute noch sprach, wünschte ich mir, das er nicht recht hat. Er malte ein ziemlich düsteres Zukunftsbild. Zum Beispiel solle der Tempel zerstört werden, und zwar so sehr, das kein Stein auf dem anderen bliebe.

Mutter: O Gott, nein. Das ist ja schrecklich.

Nachbarin: Das finde ich auch. Man getraut sich ja kaum noch an Morgen zu denken. Alles wird ständig teurer. Und dann auch noch der Tempel. Wer soll denn den Aufbau wieder bezahlen? Derartige Zukunftsbilder sind das letzte was wir gebrauchen können. Positiv denken, das bringt uns weiter, sagt mein Mann. Also nein, will dieser Nazarener den Tempel zerstören! Das muß ich meinem Mann erzählen. (ab)

Mutter: Wie kann Gott die Zerstörung des Tempels zulassen? Es ist doch sein Haus.

Vater: Er hat es schon einmal zugelassen. Wenn wir, Gottes Volk, ihn wieder verlassen und unsere eigenen Wege gehen? Warum soll er dann noch unter uns wohnen?

Mutter: Und all die Opfer und Gebete? Versöhnen sie Gott nicht mehr?

Vater: Sind es denn überhaupt noch Opfer oder dienen sie nur zu Gewissensberuhigung?

(Licht aus, beide ab)

4. Bild Vorbereitung zum Abendmahl, Kalenderdatum 13. Nisan

(die Töchter sind auf der Bühne, Rebekka sitz verträumt da, Mirijam ist beschäftigt)

Mirijam: Rebekka! – Rebekka, he bist du noch da?

Rebekka: Was gibt es denn?

Mirijam: Das möchte ich mal von dir wissen? Man könnt denken, du bist überhaupt nicht anwesend.

Rebekka: Ich denke nach. – Wie alt mag eigentlich Thomas sein.

Mirijam: Welcher Thomas?

Rebekka: Na der Freund von Jeschua.

Mirijam: Keine Ahnung. Der Johannes ist der Jüngste. Der Älteste könnte Petrus sein, – oder der Matthäus? Ich weiß es nicht. Warum willst du das eigentlich wissen?

Rebekka: Ach nur so.

Mirijam: Ach nur so!

Rebekka: (steht auf) Ich geh Mutter helfen. (ab)

(Mirijam arbeitet weiter, Nachbarin kommt)

Nachbarin: Tag Mirijam. Sind deine Eltern nicht da? Ich habe sie nirgends gesehen. Ich weiß jetzt, wer dieser Jeschua wirklich ist.

Mirijam: Na, der Messias.

Nachbarin: Von wegen. Wegen ihm sind damals unter Herodes in Bethlehem viele Kinder ermordet worden.

Mirijam: Ermordet? Warum denn?

Nachbarin: Was weiß ich warum. Ich weiß nur, meine beiden Brüder sind damals auch von den Soldaten des Herodes getötet worden. Der eine war zwei Jahre alt und der andere 4 Wochen. Kleine, unschuldige Kinder. Ermordet wegen dem angeblichen Messias.(zeigt nach draußen) Meine Mutter konnte es nicht überwinden. Vor Gram ist sie gestorben. Und mein Vater ist zum Säufer geworden. Wenn ihr das alles durchgemacht hättet, was ich durchhab, würdet ihr auch nichts mehr mit diesem Jeschua zu tun haben wollen. Auf Wiedersehen! (ab)

Vater: (kommt) Bist du allein Mirijam.

Mirijam: Ja, die Hanna war da. Da muß ich dich mal was fragen.

Vater: Hat das noch Zeit? Ich erwarte jemanden.

Mirijam: Mmm, wer kommt denn?

Vater: Ein paar Jünger von Jeschua wollten vorbeikommen.

Mirijam: Da wird sich Rebekka aber ärgern.

Vater: Warum denn?

Mirijam: (kichert) Wo sie doch so für Thomas schwärmt.

Vater: Das solltest du mir doch bestimmt nicht verraten. Geh jetzt raus in den Garten. Vielleicht kannst du Mutter noch ein wenig helfen. (Mirijam ab)

(es klopft, Thomas und Johannes kommen herein)

Thomas: Guten Tag, Meister Simon. Wir kommen wegen heute Abend.

Vater: Seid willkommen. Nur zu Zweit? Ich denke, Judas wollte die Absprachen treffen.

Thomas: Er ist schon den ganzen Tag etwas seltsam. Wer weiß, wo er steckt.

Johannes: Vielleicht hat er sich mit seinen Freunden aus den Bergen getroffen.

Vater: Das könnte sein. In den Bergen hat setzt man große Hoffnungen auf dieses Passafest. Die Zeloten warten auf das Zeichen zum losschlagen.

Thomas: Welches Zeichen?

Vater: Sie hoffen, das sich Jeschua in Jerusalem an die Spitze der Freiheitsbewegung stellt und die Römer übern Jordan schickt.

Thomas: Da kennen sie aber Jeschua schlecht. Er sagt immer: Liebet eure Feinde, segnet, die euch verfluchen.

Johannes: Er lehrt uns eine andere Freiheit, als eine, die sich durch Gewalt erzielen ließe. Und auch in keinem fernen Land zu finden ist. Seine Freiheit ist eine innere Freiheit. Erst durch ihn weiß ich, was das wirklich bedeutet.

Vater: Seine Lehren sind nicht immer leicht zu verstehen. Daran werden sich noch viele Geister scheiden. Seine heutigen Worte habe ich zum Teil auch nicht ganz verstanden.

Thomas: Wenn ich ehrlich bin, ich auch nicht. Er hat in letzter Zeit schon öfters solche Andeutungen gemacht.

Johannes: Es klingt dann immer, als erwarte er bald seinen Tod.

Vater: Die Pharisäer wünschen den schon lange herbei.

Johannes: Gegen die werden wir ihn schon verteidigen. Petrus hat sich schon ein Schwert besorgt. Für alle Fälle, wie er meint.

Thomas: Ob das helfen wird?

Vater: Jeschua weiß schon was er tun muß. Nun aber zu heute Abend. Meine Frau hat schon alles zurechtgemacht. Es soll doch sein wie immer?

Johannes: Nicht ganz.

Vater: Am besten wir gehen gleich einmal hinüber. An Ort und Stelle können wir alles am besten bereden. (alle ab)

5. Bild Tag nach der Verhaftung Kalenderdatum: 14. Nisan

(Thomas und Johannes kommen in den Raum und versperren den Eingang mit Möbeln)

Johannes: Schnell, mach zu. Wir müssen uns verbarrikadieren.

Thomas: Das hilft doch alles nichts. Wenn sie uns holen kommen, war’s das. Ich habe Angst. Schrecklich Angst.

Johannes: Mir geht es nicht besser. Ich hoffe nur, das sie uns nicht finden.

Thomas: Ich verstehe das alles nicht. Vor allem Judas geht mir nicht aus dem Kopf. Kommt daher mit einer Schar schwerbewaffneten Kriegsknechten, geht auf Jeschua zu und gibt ihm einen Kuß. Wie konnte er das nur tun.

Johannes: Ich weiß es nicht. Vieleicht wollte er Jeschua provozieren. Ich, – wir waren wie gelähmt.

Thomas: Der einzige, der überhaupt noch etwas tun konnte war Petrus. Schlägt mit dem Schwert diesem Knecht ein Ohr ab. Wir sind halt keine Krieger, sonst hätte er besser getroffen.

Johannes: Wenn er ihn getödet hätte, hätte Jeschua den Knecht auch wiederbelebt. So heilte er sein Ohr. Wo ist Petrus überhaupt?

Thomas: Ich habe ihn nicht mehr gesehen. Vielleicht haben sie ihn auch verhaftet. Meinst du, ob wir hier sicher sind?

Johannes: Woher soll ich das wissen.

(einige Zeit Pause)

Thomas: Ich höre Stimmen! Sie holen uns!

Johannes: (lauscht) Nein, das sind keine Soldaten. Der schwere Schritt fehlt.

(Pause)

Johannes: Ob sie Jeschua foltern werden? — Sicher werden sie ihn foltern. Es macht ihnen Spaß, Menschen zu quälen. Und wenn sie uns fragen? Was sollen wir ihnen antworten?

Thomas: Sei bitte still.

(Pause, es poltert und klopft, Petrus kommt)

Thomas: Wer da?

Petrus: Macht auf, ich bin es Petrus!

Johannes: Petrus! Wo warst du?

Thomas: Warst du auch verhaftet?

Petrus: Nein. Ich bin ihnen gefolgt, in weitem Abstand.

Johannes: Wo haben sie ihn hingebracht?

Petrus: Zuerst brachten sie ihn in den Palast des Hohepriesters. Dort wurde er verhört. Es ist nicht zu glauben, wie viele falsche Zeugen man bestellt hatte

Thomas: Warst du bei dem Verhör dabei?

Petrus: Nein. Ich war im Hof. Doch Fenster und Türen waren geöffnet, so das man draußen an den Feuern vieles hören konnte. Immer wieder fragte man ihn, ob er nichts auf die Vorwürfe antworten wolle. Aber er schwieg. Nur einmal antwortete er. Der Hohepriester hatte ihn gefragt: Bist du der Sohn Gottes? Und Jeschua sprach: Ich bin es. Daraufhin verurteilten sie ihn wegen Gotteslästerung zum Tode.

Thomas: Der hohe Rat darf keine Urteile vollstrecken. Das ist allein römisches Recht.

Petrus: Deshalb hat man ihn auch zu Pilatus gebracht.

Johannes: Und du, was du gemacht.

Petrus: (kurzes Schweigen) Ihn verraten!

Thomas & Johannes: Was hast du?

Petrus: Ich Großmaul habe ihn verraten. Ehe der Hahn zweimal kräht, hat er gesagt. Eine Magd erkannte mich, ich leugnete. Da krähte der Hahn zum erstenmal. Eine andere erkannte mich ebenfalls, doch ich leugnete dazu zu gehören. Auch ein paar Knechte konnten sich an mich erinnern. Wieder sagte ich , ich kenne ihn nicht. Da krähte der Hahn zum zweitenmal. Dreimal habe ich ihn verleugnet. Und ist das kein Verrat? Als ich das begriffen hatte, bin ich weggerannt. Ich wollte nur noch weg, weit weg.

(der Vater kommt)

Vater: Hier seid ihr. Man hat Judas gefunden. – Er hat sich das Leben genommen.

Thomas: Was ist mit Jeschua geschehen ?

Vater: Er war lange bei Pilatus. Ich denke, der wollte ihn nicht verurteilen. Er hat es dem Volk zur Wahl gestellt, wer zum Passafest begnadigt werden soll, Jeschua oder den Verbrecher Barnabas.

Petrus: Und?

Vater: Das Volk hat den Verbrecher gewählt.

Stimmen: (erst leise, dann anschwellend) kreuzigen, kreuzigen, ans Kreuz mit ihm, kreuzigen ….

Johannes: Was ist das?

Vater: Das ist das Volk! Man führt Jeschua nach Golgata.

Johannes: Sie werden ihn ans Kreuz nageln. – Ich will bei ihm sein.

Thomas: Bleib hier, wenn sie dich erkennen.

Johannes: Von mir aus. (ab)

Thomas: Wo sind die Hossianna Rufe? Wo der Lobpreis?

Petrus: Sind das die selben Menschen, die da rufen?

Vater: Ja.

Thomas: Aber warum nur? Wievielen von denen, die dort schreien, hat er geholfen, neuen Mut, neue Hoffnung gegeben.

Vater: Und doch hat er sie enttäuscht. Sie haben anderes von ihm erhofft. Die da gehungert haben wollten nicht das Brot des Lebens, sondern 99 Brotsorten. Und die es gedürstet hatte, sie wollten nicht das lebendige Wasser, sondern nur eine andere Geschmacksrichtung.

Thomas: Ich kann das nicht glauben!

Vater: Und wir, die auf ihn gebaut hatten, solange er bei uns war, verkriechen uns, sobald er weg ist. Er war unsere Hoffnung. Jetzt müssen wir mit ansehen, wie unsere Hoffnung gekreuzigt wird. Und wenn er seinen Qualen erlegen ist, wie unsere Hoffnung begraben wird.

Thomas: Ja, um ohnmächtig zu erkennen: Es ist aus, vorbei, finito.

Petrus: Scheiße!

(Licht aus, alle drei bleiben ruhig sitzen)

6. Bild Ostermorgen Datum 16. Nisan

(es werden zwei Kalenderblätter einzeln umgeklappt, auf dem ersten steht: 15. Nisan und in rot Sabbat, Spielort ist wenn möglich in der Mitte der Kirche, auf der Bühne verharren die Jünger, Die Frauen treffen sich auf oder vom Weg zum Brunnen)

Ruth: Habt ihr schon gehört, das im Tempel der große Vorhang vor dem Allerheiligsten zerrissen ist.

Mutter: Was sagst du da?

Ruth: Vorgestern Nachmittag, während der großen Dunkelheit und dem Erdbeben ist es passiert. Man sagt, genau in dem Moment, als Jeschua am Kreuz gestorben ist. Viele sehen nun darin ein Zeichen, das er doch der von Gott geschickte Retter gewesen ist. Das er derjenige war, der unser Volk von der Sünde befreien und mit Gott versöhnen sollte.

Mutter: Der Vorhang trennte uns von dem größten Heiligtum, eigentlich von Gott selbst. Wenn er zerrissen ist, durch Jeschuas Tod, dann heißt dies, das er sterben mußte, um die Trennung aufzuheben.

Maria: (kommt aufgeregt) Hört doch Leute, das Grab ist leer, das Grab ist leer. Jeschua lebt. Wir wollten ihn heute Morgen einbalsamieren. Auf dem Weg machten wir uns Sorgen, wie wir den schweren Stein wegrollen könnten. Doch als wir ankamen war der Stein bereits zur Seite gerollt. Vorsichtig gingen wir hinein – und er war nicht mehr da.

Rebekka Was heißt er war nicht mehr da. Ein Toter kann nicht weglaufen. Und tot war er, als wir ihn vorgestern hineingelegt haben.

Mirijam: Und seine Jünger können seinen Leichnam nicht weggetragen haben. Die haben sich bei uns auf dem Boden eingeschlossen und wagen kaum zu atmen.

Maria: Er ist auferstanden. Eine Lichtgestalt saß plötzlich vor uns und sprach: Habt keine Angst. Ihr sucht Jeschua aus Nazareth, den Gekreuzigten? Er ist nicht hier, Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Geht zu seinen Jüngern und sagt ihnen, er geht ihnen nach Galiläa voraus, dort werden sie ihn sehen, wie er es ihnen gesagt hat. – Erst waren wir wie erstarrt, doch dann sind wir gelaufen was die Beine hergaben. Und plötzlich hat Jeschua vor mir gestanden.

Mirijam: Bist du dir da sicher.

Maria: So sicher wie ich jetzt mit euch rede. Er stand vor mir als der Mensch, als welchen ich ihn kenne. Er bat mich, zu seinen Jüngern zu gehen und es ihnen zu berichten.

Ruth: Wer glaubt schon den Worten einer Frau?

Maria: Sicher werden viel zweifeln. Aber viele werden ihn noch sehen können, ihn erleben, ihn spüren. Und sie werden glauben. Er hat den Tod besiegt, damit wir leben können.

Mutter: Das heißt, Jeschuas Tod ist nicht das Ende, sondern der Anfang allen Lebens.

E N D E

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